Wir kennen doch alle dieses warme Gefühl, dass uns umgibt, wenn wir mit unserem Partner zusammen sind. Selbst wenn wir nur zu Hause mit unserem Liebsten vor dem Fernseher sitzen, kann dies manchmal das allerschönste Gefühl sein. Immerhin sind wir mit unserem liebsten Menschen zusammen.
Selbst wenn man so etwas Simples macht wie zusammen einkaufen oder ein Eis essen, kann unser Partner ein guter Verstärker sein, um solche Alltagssituationen zu etwas Besonderem zu machen, an das wir uns Jahre später noch erinnern.
Dennoch muss aber auch gesagt sein, dass zu viel Nähe und zu viel miteinander teilen, auch manchmal gefährlich werden kann. Distanz, psychisch, so wie räumlich, ist in einer gesunden Beziehung manchmal unabdinglich.
Besonders, wenn man bereits zusammenlebt.
Im Jahr 2021, nur ein Jahr nach der Hochzeit der weltweiten Corona-Krise, gab es keinen großen Baby-Boom, wie es viele Experten erwartet hatten, sondern stattdessen eine große Zunahme an Scheidungen.
Was war der Grund? In 2020 mussten viele Menschen, aufgrund der weltweiten Pandemie, auch komplette Familien, zu Hause bleiben und hockten so Tag für Tag, ohne Arbeit, Kita und Schulen stundenlang aufeinander.
Auch an den Wochenenden/Urlaubszeit und das während Kinder und Erwachsene trotzdem noch ihren Pflichten online als Schüler/Arbeitnehmer nachgehen mussten. Eine Herausforderung, die besonders für Niedrigverdienende mit wenig Wohnraum oder wenig Mitteln für technische Geräte ein großes Problem darstellte.
Nicht nur der platztechnisch, sondern auch zwischenmenschlichen kann es Probleme geben
Besonders, wie bereits angeschnitten, im Bereich der Beziehungen der zusammenlebenden Ehepaare, von denen sich in dieser Zeitspanne viele haben scheiden lassen und wohl auch noch werden.
Jetzt könnte man natürlich sagen: „Wahre Liebe sollte auch einen 24/7 Zusammenhalt, wenn auch mit Kindern, standhalten. Wer sich bei so etwas trennt, gehört auch nicht zusammen! Immerhin hockt man ja sonst auch tagtäglich aufeinander!“ Ein sehr verständliches Argument, aber viele, die diese Erfahrungen durchmachen mussten, werden höchstwahrscheinlich dagegen sprechen.
Denn Liebe an sich ist kein Alleskleber, der einfach, nur weil er existiert, alles zusammenhält. Diese magische Wirkung des Verliebtseins wird uns zwar oft von Film und anderen Unterhaltungsmedien aufgezeigt, aber in einer Partnerschaft liegt oft mehr in einer Waagschale als nur die Liebe.
Immerhin darf man nicht vergessen, dass man fernab von der Beziehung oder der eigenen Familie noch ein einzelner Mensch mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Hobbys, Erfahrungen und Erwartungen ist. Die Liebe, symbolisiert durch die Zweisamkeit oder gar die eigenen Kinder und ist nur ein Teil davon, wenn auch ein großer.
Man gibt sich selbst mit allem, was einen ausmacht, einer anderen Person in einer Beziehung hin und formt sich anhand dessen gegenseitig. Durch den gegenseitigen Einfluss des jeweils anderen mit den verschiedensten Meinungen und Eindrücken, die eine Person mit sich bringt, wird dann das Zusammensein gestaltet. Es wird diskutiert, gestritten und anhand der Individualität Zeit miteinander auf gewisse Arten und Weisen verbracht.
Kein Mensch ist gleich und das gilt auch für die Qualitäten, die zwei Menschen in eine Beziehung bringen und aus dieser dann eine geformte und hoffentlich gesunde Partnerschaft entsteht. Auf dieselbe Art und Weise ist auch jeder Kindererziehungsstil verschieden. Alleine schon wie die Eltern ticken und wie deren Beziehung ist, macht eine Menge in der frühkindlichen Erziehung aus.
Und diese Individualität kann bei einem 24/7 Aufeinanderhocken leider beschädigt werden oder sogar kaputtgehen. Natürlich kommen dazu noch die typischen Beziehungsprobleme wie das Kümmern um die Kinder, den Haushalt zu schmeißen, die Arbeitsteilung in der Familie und vieles mehr.
Aber gerade im Fall von Corona im Jahre 2020 zeigt sich leider perfekt, wie tagelanges, sogar wochen- und monatelanges Aufeinanderhocken die Beziehung gefährden kann. Irgendwann kommt nämlich der Punkt, egal wie sehr man seinen Partner liebt, dass man etwas Zeit für sich braucht. Vor allem für seine eigenen Hobbys, die Teil der persönlichen Entfaltung sind.
Die persönliche Entfaltung sollte nicht auf der Strecke bleiben
Etwas, das völlig normal ist für einen Menschen und nicht bedeutet, dass man seinen Partner nicht mehr liebt. Jeder Mensch, auch in einer Beziehung, hat das Recht auf Individualität. Denn wie bereits gesagt, ist man außerhalb der Beziehung ja noch ein einzelnes Individuum. Leider ist es aber so, dass viele diesen kleinen Freuden des Alltags, sei es nun belangloses mit sich selbst beschäftigen oder Hobbys nachgehen, im Jahre 2020 weniger bis gar nicht nachgehen konnten.
Aber nicht nur das, denn durch die Lockdowns in der Coronazeit, die für einen gewissen Zeitraum den Gang nach draußen komplett verboten hatten, außer man wollte alleine einkaufen gehen, einen kleinen Spaziergang machen oder hatte einen Garten/Balkon zum Ausweichen, verschlimmerte sich die Situation bei vielen zu Hause zunehmend. Man konnte nicht einmal mehr mit den Kindern rausgehen, einen anderen Ort besuchen, die Kinder zu Freunden/Familienmitgliedern schicken, diese selbst besuchen, Arbeiten gehen, am allgemeinen Leben teilnehmen, Kultur genießen, außerhäuslichen Hobbys nachgehen und vieles mehr.
Dies führte natürlich dazu, besonders wenn Kinder und die eigene Arbeit dazu kamen, dass es zu großen Streitereien kam, die viele Familien gespaltet haben. Und dazu gehörten nicht mal große Coronathemen, sondern einfach der Fakt, dass alte Streitthemen wie Haushalt oder das Kümmern der Kinder so aufgekocht sind, dass viele sich getrennt haben.
Man hat ganz simpel einfach zu viel vom anderen gehabt. Auch etwas, dass in einer Beziehung ganz normal sein kann, aber dadurch, dass man sich in dieser Zwangssituation nur auf den Partner verlassen konnte und keine Ausweichmöglichkeiten mehr für sich selbst, Hobbys oder außerhäuslichen Aktivitäten hatte, alles komplett in sich implodierte.
Dieses Extremthema, das natürlich noch viele andere Faktoren für eine Trennung besitzen kann, dazu zählten zu anderem leider auch häusliche Gewalt, ist natürlich eine überspitzte Situation der Problematik des ständigen Zusammenseins. Aber genau deshalb ist es auch das perfekte Extrembeispiel, was dabei raus kommen kann, wenn man die Zweisamkeit überstrapaziert und diese versucht zu erzwingen.
Es ist unglaublich wichtig, dass man, auch innerhalb einer Beziehung, noch die Freiheiten der Selbstentfaltung besitzt. Man muss noch seinen Hobbys nachgehen können, etwas Zeit für sich haben und einfach mal Zeit zum Ausruhen haben können, mit oder ohne Kinder. Denn wenn es dem eigenen Geist nicht gut geht, wie will man dann in der Beziehung oder in der Familie operieren?
Psychische Distanz
Und zwar von der Beziehung, den Kindern und den Pflichten, indem man nur Zeit für sich selbst hat und diese qualitativ auch zum Ausruhen nutzt. Wenn man aber als Paar die ganze Zeit zusammen verbringt, kann genau das gefährdet werden! Wie bereits erwähnt ist es ganz normal, dass man manchmal keine Lust mehr auf den Partner hat.
Gerade in der Zeit, in der der Schleier der Verliebtheit nachlässt und man erkennt, dass der Partner auch negative Seiten besitzt und für sich selbst entscheiden muss, ob man auch wirklich mit diesen in einer Beziehung dauerhaft und langfristig klar kommt, kann dies vorkommen. Man ist nur noch genervt, fragt sich, wie man all dies nicht vorher erkennen konnte, was in der Phase der Verliebtheit völlig normal ist, da unser Körper komplett mit Hormonen überschüttet ist und zieht sich eventuell etwas zurück. Hier entscheidet sich dann oft, ob man beim Partner bleiben möchte oder nicht.
Diese Phase kann aber auch mitten in der Beziehung oder Ehe auftauchen, gerade wenn man, wie in der Phase der Verliebtheit in letzter Zeit viel aufeinandergehockt hat. Auch das ist völlig normal. Normal ist es allerdings nicht mehr, wenn sich aufgrund der zusammen verbrachten Zeit eine Art Abneigung oder gar Hass auf die Person übertragt, die man eigentlich liebt. Bei vielen Beziehungen kommt der Punkt, wo man es vielleicht etwas übertrieben hat mit dem bedingungslosen Zusammenhalt.
Man streitet viel, bespricht die Streitthemen danach vielleicht nicht und reflektiert die Situation nicht, damit man den Streit aufzulösen kann. Stattdessen hockt man nur noch aufeinander, ohne wirklichen Sinn oder Plan und ohne sich für den anderen noch Mühe zu geben (z. B. einen romantischen Abend planen, sich hübsch für den anderen machen, etc.). In dem Fall hat man sich vielleicht zu sehr aneinander gewöhnt, nimmt das Schicksal hin, für immer auf diese Art und Weise zusammen zu sein und ergibt sich einfach dem Alltag. Denn egal was man macht, der andere bleibt eh und man selbst, hat auch nicht die Absicht zu gehen. Aus purer Gemütlichkeit.
Gemütlichkeit, die dadurch entstehen kann, dass man einen Streit oder eine Diskussion nicht mehr als wichtig erachtet, sodass die Beziehung an diesem nicht wachsen kann oder man steht nur noch für sich selbst ein, weil die Beziehung zu erdrückend geworden ist, welche ironischerweise genau durch dieses Handeln weiter in den Hintergrund fällt. Es ist der Punkt, an dem uns der Partner mit all seinen Erzählungen auf die Nerven geht, der Alltag oder die Art, wie der Partner etwas macht, uns zur Weißglut treibt und man sich wünscht, der ehemalige Liebste würde einfach verschwinden, weil einen langsam das Gefühl beschleicht, ohne ihn besser dran zu sein.
Einfach immer mal wieder auf Abstand gehen
Dieser Punkt, der für Beziehung und erst recht für eine gemeinsame Familie emotional sehr gefährlich werden kann, hätte vermieden werden können, wenn man in der Beziehung sich ab und zu was nötig ist, voneinander distanziert. Und sei es nur, um zu erkennen, ob diese Beziehung noch das ist, was man sich wirklich vom gemeinsamen Leben erhofft hat. Denn in diesen Denkprozess kommen viele nicht einmal mehr. Dies liegt daran, dass man sich an den Partner so gewöhnt hat, dass Alternativen wie Trennung oder Verbesserung der Beziehung so fernab der eigenen Realität sind, da man immer aufeinander hockt und gar keine anderen Möglichkeiten mehr in Betracht zieht.
Physische, aber besonders räumliche Distanz hätten hier helfen können, um Abstand von der immer wieder auftretenden Situation zu bekommen, sodass man wieder lernt, dass es auch anders gehen kann und ein Leben außerhalb der eigenen Beziehung/Familie gibt. Ganz abgesehen von der fehlenden Kommunikation, die in den meisten Fällen dann nicht stattgefunden hat und die eine Beziehung beinhalten und aushalten muss. Anstatt irgendwann nur noch aufeinander zu hocken, was auch äußerliche Beziehungen auf Dauer gefährden kann, sich auch mal Zeit für sich nehmen und über die Bedürfnisse kommunizieren.
Vor allem, weil der Alltag die Magie der Liebe abschwächt und man dessen Flamme eigenständig wieder mit kleinen Gästen und Aufmerksamkeiten erhitzen muss. Beziehungen sind und bleiben Arbeit. Wie ein Auto brauchen sie ab und zu Öl, damit sie weiterlaufen und müssen obendrein auch noch gewartet werden. Da ist es kein Wunder, besonders wenn man nicht miteinander kommuniziert, dass eine Art alltägliche Gemütlichkeit die Beziehung übernommen hat und beide Menschen von der Verliebtheit ins nebeneinander her leben getrieben hat.
Ein weiteres Problem kann sein, das man sich einfach am Gegenüber sattgesehen hat. Man hat alles gehört, alles gesehen und vieles mitbekommen, was man vielleicht gar nicht wollte. Es gibt nichts Neues mehr an einer Person, was einen reizt oder über das man sich freut, sondern nur noch dieselbe alte Leier und diese ändert sich nicht einmal. Wenn sich die gegenseitige Kommunikation immer wieder auf dieselben Thematiken/Probleme bezieht und sich am Gesamtgerüst nichts ändert.
Eine Problematik, bei der Distanz sehr gut helfen würde, da dies nämlich eine universale Waffe in Beziehungen ist, die gerade unangenehme Situationen einfach resetten kann. Neben der psychischen Distanz (Zeit für sich oder Hobbys fernab der Beziehung) kann nämlich gerade räumliche Distanz ein interessanter Faktor sein, wenn es darum geht, eine Beziehung neu aufblühen zu lassen. Und damit ist nicht einfach das Verschwinden in einen anderen Raum gemeint, was ebenfalls einen Tag lang durchaus die eigenen Batterien aufladen kann, sondern eine außerhäusliche räumliche Trennung.
Wertschätzung durch räumliche Trennung
Sei es nach einem Streit oder vielleicht einfach nur, weil man zu viel Zeit miteinander verbracht hat, die Abwesenheit der anderen Person kann einem das Gefühl des Vermissens und damit auch der Wertschätzung wieder lernen lassen. Und somit auch das Gefühl der Liebe wieder aufflammen lassen. Wenn also ein großer Streit stattgefunden hat und man das Gefühl hat, etwas Regenerationszeit zu benötigen, kann eine längere räumliche Distanz sogar wahre Wunder bewirken.
Nicht nur, um die eigene Batterie neben der Beziehung mal wieder aufzuladen (psychische Distanz zum Partner), sondern auch um zu lernen, den anderen zu vermissen, sodass man wieder beginnt wertzuschätzen, was man an dem Partner hat. Auch lernt man wieder richtig miteinander zu reden, weil man sich nicht mehr tagtäglich sieht und gibt sich vielleicht sogar wieder etwas mehr Mühe, damit die geliebte Person nicht alt zu schnell wieder verschwindet.
Dies geht natürlich auch ohne Streit und ist, wie bereits erwähnt, eine perfekte Methode, um die Beziehung zu resetten. Gerade, wenn es in Letzter vielleicht etwas holprig wurde. Respektiert also die Distanzwünsche eures Partners, gerade, wenn es in letzter Zeit viel Stress in privaten Bereichen wie Arbeit, Familie oder sogar in der Beziehung gab.
Manchmal kann die Entfernung zueinander nämlich wahre Wunder wirken und hilft auch oft dabei für sich selbst zu erkennen, was man wirklich will, anstatt sich vom gemütlichen Licht des Alltags blenden zu lassen. So lange euer Partner nicht aktiv vor euch wegläuft, kritischen/wichtigen Gesprächen versucht so aus dem Weg zu gehen oder versucht sich selbst zu belügen, sind mehrere Distanzierungen, egal welcher Natur, Balsam für die eigene Seele und vor allem für die Beziehung.
Vergesst nicht: Nur wenn ihr als einzelnes Individuum funktioniert und glücklich seid, kann sich dieses Gefühl auch in die Partnerschaft und Familie übertragen. Denn ein Streit kann auch ein Indiz sein, dass ihr zu viel Zeit miteinander verbracht habt und euch selbst gerade dabei seid, komplett zu vergessen. Schätzt euch und die Bedürfnisse eurer Partner also wert und gebt euch ab und zu eine Auszeit voneinander.