„Ich brauche jetzt gerade keinen Ratschlag. Kannst du mir einfach nur zuhören, bitte?“
Eine simple Frage, die einige von euch vielleicht sogar schon einmal von eurem Partner gehört oder selbst von sich gegeben haben. Es gibt diese Momente, an denen wir Menschen so überladen sind mit Problemen, negativen Gedanken und Gefühlen, dass wir gar nicht wissen, wohin damit. Nur eines bleibt: Das Gefühl, dass all dies raus muss.
Wie ein Wasserfall, der fließen muss und von dem man weiß, dass man ihn nicht aufhalten sollte und auch nicht kann, da er ein beständiger, unaufhaltsamer Teil der Natur ist. Und genauso kann auch unsere Psyche manchmal funktionieren. Wie im oben genannten Satz kann es leicht passieren, dass wir unserem Partner gegenüber dringend etwas loswerden wollen, dieser aber durch sein simples Beteiligen, alles kaputtmachen kann.
Zuhören, ohne eine große Resonanz von sich zu geben, ist für viele Partner (besonders dominantere Exemplare) nicht nur eine Geduldsprobe, sondern auch fast undenkbar. Immerhin will man ja am Leben des Partners teilhaben und dazu gehört nun einmal auch, sich mündlich an Konversationen zu beteiligen und seine zwei Cents mit in den Ring zu werfen. Genau dafür ist doch eine Beziehung da. Der gegenseitige Austausch und dass man aneinander wächst.
Einfach nur mal den Frust loswerden
Dieser Gedanke ist zwar goldrichtig, aber in diesem Gesamtzusammenhang leider auch falsch. Auch wenn wir als persönlich auserwählter Lieblingsmensch unseres Partners sicherlich einige mehr Privilegien besitzen als so manch anderer, so heißt dies noch lange nicht, dass unsere Meinung unbedingt gehört werden muss. Und nicht jede Konversation muss in einem Ringkampf enden, in dem wir aneinander durch einen gegenseitigen Diskussionsschlagabtausch wachsen müssen. Dies geht nämlich auch durch simples Zuhören.
Denn auch so lernen wir mehr über unseren Partner, wodurch die Beziehung weiter wachsen kann. Es muss nicht immer ein gegenseitiger Austausch stattfinden. Und so gerne wir auch als Partner, gerade wenn es unserem Gegenüber nicht gut geht, einschreiten wollen, weil wir angeblich den besten Rat unseres Lebens parat haben, umso besser ist es, sich auch manchmal zurückzuhalten und einfach nur da zu sein.
Dies gilt auch für Vergleiche, die wir ziehen, um unseren Partner zu zeigen, dass wir ihn verstehen oder für Kommentare, die unsere eigene Sichtweise der Thematik gegenüber noch einmal aufzeigen soll. Alles Dinge, die später folgen können, denn gerade wenn man sich nur den Frust von der Seele reden will, können diese eigentlich nett gemeinten Reaktionen nicht nur den Redefluss des Partners unterbrechen, sondern ihn auch auf dem falschen Fuß erwischen.
Stellt euch nur einmal vor, dass euch etwas passiert ist, dass ihr euch dringend von der Seele reden wollt bei eurem Partner. Zum Beispiel, dass ihr zu Unrecht für den Fehler eines Kollegen belangt wurdet, der euch die Schuld zugeschoben hat. Der Chef, mit dem er sich prima versteht, glaubt ihm natürlich ohne nachzufragen. Dies erzählt ihr wütend und emotional aufgewühlt eurem Partner. Ihr seid total fertig, sauer, enttäuscht, fühlt euch betrogen und wisst gar nicht, wohin mit euch, als dieser euch ganz plötzlich unterbricht und nachfragt, warum ihr das Missverständnis nicht gleich beim Chef aufgeklärt habt, da es in der Firma doch auch andere Mitarbeiter gibt, die ebenfalls an all dem beteiligt waren und dies sicherlich aufklären können.
Ein sehr guter Ratschlag, aber gerade in solch einem Moment der gefühlsmäßigen Überlastung ein überaus schlechter Zeitpunkt diesen anzusprechen. Denn so unterbricht man nicht nur den Partner dabei, sich wortwörtlich auszukotzen, sondern vor allem, weil dies auch besserwisserisch oder demütigend rüber kommen kann, gerade wenn euer Partner so emotional aufgewühlt ist. Schon kann ein gut gemeinter und richtig guter Ratschlag, nur weil er zum falschen Zeitpunkt angesetzt wurde, zu einem Streitthema werden.
Den guten Rat erst mal zurückhalten
Euer Partner, der vielleicht vorher nicht kommuniziert hat, dass er sich nur den Frust von der Seele reden will, kann diese Antwort als beleidigend (wertend) auffassen und schon seid ihr als helfender Partner die neue Zielscheibe seines Gefühlsausbruches. Ganz abgesehen davon, dass euer eh schon angespannter Partner in solch einer aufgewühlten Situation sicherlich nicht sehr rücksichtsvoll oder empathisch reagieren wird, weil das Grundereignis des Gefühlsausbruches bereits sein ganzes System überladen hat. Dasselbe kann man natürlich auch auf Vergleiche oder unnötige Kommentare sagen, die man in solchen Situationen dazugeben könnte und die ebenfalls für eine falsche Auffassung bei eurem emotional frustrierten Partner sorgen können.
Bei Vergleichen könnte plötzlich ein Vorwurf der Selbstzentriertheit folgen: „Aber darum gehts doch gar nicht! Schön, dass du mich verstehst, aber es geht hier nicht um dich!“ Oder bei einem nett gemeinten Kommentar, zum Beispiel verpackt als ein Witz, der den Partner eigentlich aufmuntern soll, kann so interpretiert werden: „Denkst du, ich scherz hier rum!? Nimmst du mich nicht für voll oder was soll das!?“ Alles, was ihr sagt, so nett es auch gemeint war, kann sofort wie eine Wertung wirken, womit ihr das Gespräch komplett in eine ganz andere Richtung lenkt.
Wertungen, gerade wenn Menschen emotional angegriffen sind, werden besonders schlecht aufgenommen, weshalb ihr solche Fettnäpfchen so gut es geht vermeiden solltet. Haltet einfach alles in euch, wenn euer Partner leicht emotionaler oder aufgewühlter als sonst wirkt und hört einfach nur zu oder fragt bei Unverständnis Dinge nach. Mehr nicht. Alles andere an Tipps, Tricks, Ratschläge, Kommentare oder sogar Kritik kann später noch irgendwann folgen.
Um der Gefahr dieser Fettnäpfchen allerdings gar nicht erst ausgeliefert zu sein, gibt es eine noch viel bessere Methode: Ihr fragt einfach euren Partner, was er sich von euch wünscht, und zwar vor Beginn des Gespräches. Noch bevor euer Partner beginnt, sich im Gespräch zu entladen oder kurz nachdem er anfängt, könnt ihr, falls ihr euch unsicher seid und keinen Fehler machen wollt, ganz vorsichtig fragen: „Schatz, du kannst sofort weitermachen, nur eine kurze Frage … Soll ich nur zuhören?“
Was so simpel klingt, auch wenn es unseren Partner kurz aus der Fassung bringen kann, ist unfassbar wichtig, um sofort die Fronten der aktuellen Konversation zu kennen. Denn wie bereits erläutert, kann es einen gewaltigen Unterschied machen zu wissen, ob man nur zuhören soll oder ob man auch aktiv am Gespräch teilnimmt. Auch um kommunikative Probleme sofort aus dem Weg zu räumen, damit man nicht unnötig seinen Senf dazu gibt, obwohl dies gar nicht vom Partner erwünscht ist.
Dies ist übrigens auch etwas, was der Partner selbst in die Hand nehmen kann, sobald er das Gefühl hat, sich etwas von der Seele reden zu müssen. Immerhin ist es auch als derjenige, der reden will, gut zu wissen, dass der Partner einem nicht dazwischenredet und man seine ungeteilte Aufmerksamkeit besitzt. Man muss einfach nur den folgenden Satz sagen, bevor die Konversation beginnt und alle Fronten sind geklärt: „Entschuldige Schatz, ich muss mich mal kurz auskotzen. Hör bitte einfach nur zu okay?“ So oder so ist das Vermeiden dieser kommunikativen Probleme, im Kern, ganz einfach. Man muss sich nur bewusst machen, dass es solch eine Problematik überhaupt gibt. Das Gespräche existieren, in denen man einfach nur vor sich hinreden will, ohne eine Resonanz zu erhalten und dass diese uns, nachweislich, sogar guttun.
Warum bloßes Zuhören so wichtig für uns Menschen sein kann
Was haben wir davon, wenn wir vor uns hinreden und unser Partner nichts anderes macht, als dazusitzen und für uns da zu sein? Wie bereits angedeutet, sind diese Art von Einzelgesprächen, in denen wir uns über Gott und die Welt auslassen können, nachweislich gut für uns. So zeigte zum Beispiel eine neurowissenschaftliche Studie an der Universität in Harvard, dass beim bloßem Reden über uns selbst, dieselben Gehirnareale aktiviert werden, als würden wir Nahrung zu uns nehmen, Geld erhalten oder den Akt des Geschlechtsverkehres vollziehen.
Alleine die Tatsache, dass das Herauslassen und Kommunizieren unserer eigenen Gedanken und Gefühle wissenschaftlich mit etwas so Lebenswichtigem wie die Nahrungsaufnahme gleichgestellt wird, sollte problemlos aufzeigen, in welchem Wichtigkeitslevel wir uns mit dieser simplen Thematik Namens „Zuhören“ befinden. Und es ergibt zwischenmenschlich sogar Sinn. Immerhin befassen wir uns mit dem Herauslassen und dem Kommunizieren unserer Gedanken und Gefühle gleichzeitig auch mit diesen und beginnen uns automatisch selbst zu reflektieren, indem wir diese kundtun (auch die Akzeptanz der Ursprungssituation kann so besser greifen und schneller eintreten). Während unser Partner den stillen Zuhörer spielt, können wir problemlos und ohne Angst alles herauslassen, als wären wir mitten in einer Therapiesitzung, in der wir nicht darum fürchten müssen, bewertet zu werden.
So wie ein Therapeut es tun würde, sitzt nun auch unser Partner einfach da und hört sich all unsere schlimmsten und negativsten Emotionen an, ohne diese (vorerst) zu kommentieren. Es ist quasi wie in einem freien Raum, in dem wir einmal alles loswerden können, was wir wollen, während wir uns selbst durch dessen Aussprache, wenn auch unbewusst, helfen. Das heißt noch lange nicht, dass unser Partner einen guten Therapeuten ersetzt, aber dass in einer guten Partnerschaft ein genauso gleicher Raum vorhanden sein kann und auch muss. Ein wertfreier, alles von sich lassender Raum, in dem man nicht nur seinen ganzen aufgewühlten Gefühlen freien Lauf lassen kann, sondern auch sich gleichzeitig so offen mit sich selbst beschäftigen kann.
Natürlich könnte euer Partner auch einfach innerlich vor sich hin brodeln und all diese Dinge mit sich selbst ausmachen. Einige Menschen können dies sogar ganz gut alleine, dennoch ist es nicht vermeidbar, dass die offene Aussprache über diese Dinge noch einmal einen ganz anderen Effekt auf uns hat. Besonders wenn wir jemanden haben, dem wir all diese Dinge, die uns betreffen, erzählen können, so undurchdacht, absurd oder verrückt diese manchmal auch sein mögen.
Genauso wie das Lästern über andere Leute einige von uns befriedigt und uns automatisch besser über uns selbst fühlen lässt, hilft uns auch die offene Aussprache unserer Gedanken dabei, dass wir ein besseres Gefühl über unser Selbst bekommen. Während wir in dem einen Beispiel allerdings jemand anderen schaden, um eine gefühlsmäßige Besserung zu spüren, tun wir dies im Fall der offenen Kommunikation unserer Gefühle nicht. Indem wir alles uns Bezogene offen kommunizieren und ansprechen, nehmen wir unsere Gefühle an, sortieren diese nebenbei und arbeiten noch an unserer Selbstregeneration.
Die definitiv weitaus ansprechendere Variante, da wir unser Grundproblem im Fall des Lästerns nicht mit der Unvollkommenheit anderer übermalen, sondern dieses direkt angehen. Und genau dafür ist unser Partner, auch wenn er keinen Ton während der ganzen Prozedur von sich geben sollte, mehr als nur essenziell wichtig. Zwar stimmt es, dass das mit sich selbst Ausmachen der eigenen Gefühle von Außen gesehen genauso rüberkommt, als wenn wir vor unserem Partner sitzen, der zu all dem nichts sagen soll, aber der Kern und die damit folgende Auswirkung ist gänzlich anders.
Auch ein Monolog ist ein Dialog, wenn der Partner aktiv zuhört
Denn durch das offene Aussprechen dieser Dinge setzen wir uns nicht nur besser mit unseren eigenen Gedanken auseinander, sondern es sitzt auch jemand neben uns, dem wir vertrauen und der all dies mitbekommt. Es bleibt nicht nur unausgesprochen in unserem Kopf. Wir sagen es ganz offen, laut und deutlich, womit wir uns unserer eigenen Gedanken bekennen und dies auch noch vor einem vertrauten Zeugen. Dadurch verhindern wir nicht nur uns selbst zu belügen (denn was wir im Kopf denken, bekommt ja niemand mit), sondern wir teilen uns auch noch mit, während unser Gegenüber uns mit seiner bloßen Anwesenheit diesen sicheren Raum aufbaut, in dem er uns uneingeschränkt wahrnimmt.
Und das ist genau das, was wir manchmal brauchen. Uns unsere Gedanken und Gefühle von der Seele reden, um uns selbst zu reparieren, während jemand da sitzt und sich all dies einfach nur anhört und uns mit seiner puren Anwesenheit das Gefühl gibt, dass wir gehört werden. Mal ganz abgesehen davon, dass wir als stiller Zuhörer wieder auch mehr über unseren Partner lernen. So schwer das stille Zuhören manchmal auch sein kann, vor allem für die eher aktiven oder unkonzentrierten Leuten unter uns, so ist es umso wichtiger für unseren gefühlsgefrusteten Partner. Denn wir sind da. Wir sind einfach nur da und unsere bloße Anwesenheit sorgt bereits für einen minimalen Heilungseffekt für das, was auch immer unser Partner uns mitteilen möchte.
Viel mehr noch zeigen wir durch aktives Zuhören, dass unser Partner uns wichtig ist. Dadurch, dass wir uns aktiv zurückhalten und nur zuhören, zeigen wir nicht nur, dass wir unserem Partner zuliebe auch unsere Bedürfnisse der Mitteilungsbedürftigkeit hinten anstellen können, sondern auch, dass wir für ihn da sind. Selbst, wenn wir nichts sagen. Wenn wir dann sogar noch nachfragen, ob wir gewisse Dinge richtig verstanden haben, schmeicheln wir zusätzlich noch unserem Partner, weil er sieht, dass wir uns bemühen zuzuhören und aktiv an seinem Monolog teilnehmen.
Auch wenn es sich hier nur um unseren Partner dreht, nicht einmal um uns, sind wir aktiv dabei, wodurch sich unser Lieblingsmensch noch bestärkter fühlt. Es quasi wie eine stille Liebeserklärung: „Rede du nur. Ich bin trotzdem seelisch anwesend und bin für dich da.“
Wenn wir dann, wenn es gewünscht ist, auch noch empathisch auf unseren Partner eingehen, mit ihm mitfühlen, mitfiebern oder mitärgern, weiß unser Liebster, dass seine tiefsten Gedanken und Gefühle uns erreicht haben. Dann können wir mit einem lobenden Kommentar, einem Ratschlag oder vielleicht sogar einem Kritikpunkt dazu beitragen, ohne dass wir Angst haben müssen, den Sturm der emotionalen Überlastung als Gegenreaktion zu erhalten. Aktives Zuhören kann also nicht nur unserem Partner helfen, sich selbst zu helfen, sondern auch uns als Zuhörer vor weiteren Schäden schützen (vor allem, wenn wir Gefahr laufen, Gesagtes zu schnell zu kommentieren).
Der Akt des Zuhörens ist ein selbstloser Akt in dem wir das Wichtigste, was wir Menschen zur Verfügung haben (nämlich Zeit) aufopfern und komplett der Person widmen, die wir lieben. Gerade wenn unser Partner über sich selbst spricht, ist dieser Akt umso wichtiger und erfordert unsere höchste Konzentration und Aufmerksamkeit. Denkt also das nächste Mal daran, wenn ihr selbst euch etwas von der Seele reden wollt oder derjenige seid, der auf dem anderen Ende des Sofas sitzt. Zuhören ist der Schlüssel zum Verständnis des Gegenübers und manchmal erfahren wir durch bloßes da sein sogar mehr über unseren Lieblingsmenschen, als wir mit jedem Satz erreicht hätten. Und genau das kann gerade in einer Beziehung alles andere als verkehrt sein.