Am Anfang unserer Beziehung wirkt alles immer so perfekt.
Der Partner kommt ein kleines bisschen zu spät und entschuldigt sich, wir finden es noch süß und begrüßen es, dass er ehrlich zu uns ist. Der Partner lässt seine Sachen einfach in unserer Wohnung liegen, wenn er vorbeikommt und wir finden es toll, weil wir dann wissen, dass er sich bei uns wohlfühlt. Gerade wenn man frisch verliebt ist, können die Ticks oder negativen Eigenschaften unserer auserwählten Partner einem kaum bis gar nicht auffallen.
Erst wenn die Phase der Verliebtheit nachlässt und unsere Hormone sich etwas beruhigen, erkennen wir nach und nach, dass unser Partner doch nicht so perfekt ist, wie wir dachten. Was bei einigen Paaren ab diesem Punkt schon zur Trennung führen kann, kann aber auch beim Durchhalten und Zusammenarbeiten zu einer wunderschönen und langlebigen Beziehung führen, auch ohne den anfänglichen Rosaroten-Brillen-Effekt.
Aber wie bewerkstelligen wir so etwas? Oft haben wir mit unserem eigenen Leben schon genug zu tun. Sei es, der Alltagsstress, Probleme mit Schule/Studium, Arbeit, Freunde, Familie oder irgendetwas anderes, das uns beschäftigt. Da kann es schon mal anstrengend werden, wenn wir uns nach Ruhe und Verbundenheit mit unserem Partner sehnen und mit ihm Zeit verbringen möchten und ausgerechnet dann diese kleinen, nervigen Ticks hervorkommen, mit denen wir ein paar Probleme haben.
Auch die kleinen Ticks können nerven
Der Partner macht die Zahnpastatube nicht richtig zu. Der Partner passt nicht beim Essen auf und krümel/kleckert ständig. Der Partner schnarcht ziemlich laut. Der Partner schmeißt seine Klamotten immer auf den Boden. Der Partner verlegt ständig wichtige Dinge. Der Partner räumt seine benutzten Sachen nicht weg und vieles mehr. Was immer auch die Dinge sind, die uns an unserem Partner stören, an den falschen Tagen, schlechten Zeitpunkten oder bei zu häufiger Wiederholung, können diese ‘Kleinigkeiten‘ unseren vielleicht eh schon schlechten Tag komplett zum Überlaufen bringen und wir explodieren.
Das Problem mit diesen Explosionen, wie bei jedem Streit ist, dass wir übertreiben können. Wenn wir wütend, gereizt, traurig oder enttäuscht sind und deshalb in die Luft gehen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass unser Streitgespräch mit dem Partner aus dem Ruder gerät. Vorwürfe könnten gemacht werden, unlogische Kommentare, man wird unfair, benutzt nicht zu empfehlende Wörter im Streit wie ‘immer‘ oder ‘niemals‘ oder bleibt nicht bei seiner eigenen Ansicht und spricht Schuldzuweisungen aus. Es kann einiges schiefgehen, wenn man sich von seinen Emotionen treiben lässt, was gerade bei einem eher schlechten Tag leider viel zu leicht geschieht.
So verschlimmert man meist nämlich die Situation. Wenn ihr der ‘beschuldigte‘ Partner mit den Ticks wäret, was wäre euch lieber? Eine ruhige, faire Unterhaltung darüber, in der euer Partner nicht angreifend wird oder ein kompletter Meltdown, ohne Rücksicht auf Verluste?
Höchstwahrscheinlich Variante eins, was auch genau der Grund ist, warum ihr diese Dinge klären und/oder ansprechen solltet, wenn sie nicht akut passiert sind oder wenn ihr die Ruhe dafür habt, eine ordentliche Konversation zu führen. Zur Not, nehmt euch eine kurze Auszeit und beruhigt euch, bevor ihr mit dem Partner in den Dialog geht. Denkt immer daran, dass so wie ihr behandelt werden wollt, ihr auch den anderen behandeln solltet. Und dies kann besonders in Beziehungen der Schlüssel zur Lösung jedes Problems sein.
Geht nicht auf Konfrontation, bleibt sachlich
Also, wie könnt ihr vorgehen, wenn euch diese kleinen Ticks an den Rand des Wahnsinns treiben? Neben den typischen kommunikativen Fettnäpfchen, die wir eben aufgezählt haben und die ihr dringend bei der Auseinandersetzung mit eurem Partner vermeiden solltet, gibt es noch andere Dinge auf die ihr achten müsst oder die ihr machen könnt.
Vor allem solltet ihr niemals ‘Rache nehmen‘. Wenn der Partner wieder seine Ticks hat, macht nicht extra dasselbe oder vernachlässigt eure eigenen haushaltlichen Pflichten, nur um eurem Partner zu zeigen, wie dämlich er sich benimmt. Genauso solltet ihr die Dinge nicht mit euch herumschleppen und immer wütender eurem Partner gegenüber werden, weil er nicht selbst darauf kommt, was er falsch macht. Denn, Spoiler-Alarm: Wie soll der Partner darauf kommen, wenn ihr ihn nicht darauf hinweist?
Er wird nur sehen, dass ihr ohne Grund sauer werdet. Selbst wenn ihr diese Dinge vorher angesprochen habt, ist das noch keine Garantie, dass euer Partner genau in diesem Moment, obwohl der Tick akut vorgefallen ist, darauf kommt, dass dies der Grund eurer plötzlichen Wut ist. Außerdem kann euer Partner keine Gedanken lesen. Egal wie sehr ihr euch liebt. Dies zu erwarten ist simpel gesagt egoistisch und soll euch am Ende nur die Arbeit erleichtern, nicht auf euren Partner zuzugehen.
In gewissen Situationen, wenn der Partner bereits weiß, was falsch gelaufen ist, kann man sich etwas egoistisch zeigen und hoffen, dass der Partner zur Klärung auf einen zu kommt, aber nicht, wenn ihr nicht mit ihm kommuniziert. Und es ist auch kein Muss, also erwartet diese Dinge nicht automatisch! Außerdem solltet ihr, wenn diese Dinge angesprochen werden nicht abwertend eurem Partner gegenüber sein. Sagt nicht solche verletzenden Dinge wie: „Wer ist denn so eklig und legt seine stinkigen Socken auf den Fußboden!? Haben dir deine Eltern so etwas nie beigebracht!?“, die euren Partner nicht nur herabstufen, sondern gleichzeitig auch noch ihn und seine Eltern angreifen können.
Geht sachlich an das Ganze. Vergesst nicht, dass sich auch euer Partner für diese Dinge schämen kann oder sich darüber selbst ärgert, dass er sie macht. Denn all diese Ticks können bereits so automatisiert in dem Unterbewusstsein verankert sein, dass man sie einfach gedankenlos ausführt. Solche Dinge wären uns selbst doch sicherlich auch unangenehm. Vor allem, wenn dies peinliche oder unangebrachte Ticks sind, wie in der Nase bohren, Fingernägel kauen oder ständig vergessen sich die Zähne zu putzen.
Seid also sensibel. Macht Vorschläge, wie der Partner diese Ticks langsam verändern kann und vor allem, wie ihr im dabei helfen könnt.
Findet gemeinsam Wege an den Ticks vorbei
Bleibt bei euch, benutzt ‘Du-Botschaften‘ und erzählt, warum euch diese Dinge stören und vielleicht sogar den Alltag behindern. Aber bleibt auch bei euch und rechnet damit, dass in den Augen eures Partners, der vielleicht mit einer anderen Erfahrungshaltung großgezogen wurde, eure Reaktion ‘übertrieben‘ vorkommt. Reflektiert dementsprechend auch euch selbst noch einmal. Denn, so fair muss man sein, wir übertreiben alle gerne einmal. Besonders wenn es um den eigenen Haushalt geht und die perfektionistische Erwartungshaltung, wie dieser auszusehen hat, obwohl dieser Standard einfach vielleicht nicht erreichbar ist. Vor allem nicht bei einer funktionstüchtigen Familie.
Und selbst wenn ihr das alles gemacht habt, erwartet nicht sofort eine Verbesserung der Ticks. Bleibt fair und gebt eurem Partner Zeit, der erst einmal seine alten Angewohnheiten ablegen muss und sie neu sortieren/lernen muss. Da hält es sich wie beim Autofahren, wo die kleinsten Bewegungen, vor denen man anfangs noch Angst hat, irgendwann in Fleisch und Blut übergehen. Dieser Prozess kann etwas dauern.
Und falls der Partner bei seinen Ticks ‘rückfällig‘ werden sollte, weißt ihn nicht gleich mahnend und verärgert darauf hin, was für eine unglaubliche Demotivation sorgen kann, sondern erklärt sachlich, dass eine Wiederholung stattgefunden hat und fragt euren Partner, was ihr tun könnt, um ihm den Prozess zu erleichtern. Gebt ihm vielleicht Hilfestellung. Oder überlegt euch eine Strategie, wie ihr damit umgeht, falls euer Partner z. B. Mal wieder die Wäsche auf den Boden liegen gelassen hat.
Ihr könntet ihn freundlichst darauf hinweisen und er muss dies, wenn er nicht gerade anderweitig wichtig beschäftigt ist, sofort wegräumen. Routinen prägen, also helft eurem Partner, wenn nötig, diese zu lernen und gestalte diesen Prozess so undramatisch und belohnend wie möglich. (Den Partner auch mal Loben, sich bedanken, nicht angreifend werdend, sich bei Fortschritten freuen und ihn respektvoll behandeln.) Denn nach allem darf man nicht vergessen, dass wir, der andere Partner den genau selben Ausgangspunkt besitzen.
Auch du kannst nervige Ticks haben, nicht nur dein Partner
Alles, was wir bei unserem Partner falsch machen, könnte er, weil er selbst nicht von uns gut behandelt wird, doppelt und dreifach auf uns zurückfeuern, wenn wir etwas falsch machen. Denn auf der anderen Seite der Rosaroten-Brille, mit der wir unseren Partner noch als perfekt sehen, stehen wir. Auch wir werden von unserem Partner mit demselben Blick betrachtet und auch unser Partner muss mit demselben Effekt klarkommen, dem wir ausgesetzt sind, wenn die Verliebtheitsphase nachlässt.
Auch wir haben negative Eigenschaften und Ticks, mit denen unser Partner klarkommen muss. Niemand auf dieser Welt ist perfekt und es ist auch völlig normal, dass der Partner einen, mit oder ohne Ticks, einfach mal so auf die Nerven geht. Wenn ihr das akzeptiert, so wie eure eigenen Fehler und dann noch ordentlich und respektvoll mit eurem Partner darüber diskutieren könnt, dann besitzt ihr quasi alle nötigen Werkzeuge, um diese Situationen perfekt zu meistern.
An einem guten oder einem schlechten Tag, ja selbst wenn ihr einmal über die Stränge schlagen solltet und es unbeabsichtigt kracht. Mit all diesen Methoden, seid ihr auch in der Lage diese heiklen Situationen zu entschärfen. Und viel wichtiger noch, so lange ihr euch beide respektiert und fair miteinander umgeht, werden auch solche simplen Ticks nicht zwischen eure Beziehung kommen.